Wild und schön

10. Juni 2021

Wild und schön

Antje Verstl für Deutsche Baumschule

 

Feurig-flammend-farbenfroh – der neue Herbst ist da! Er ist der Frühling des Winters und bietet uns mit seinen Blüten, Früchten, Formen, Farben und Düften eine Schatztruhe an Möglichkeiten, um den Kunden zu begeistern, zu inspirieren und viel zu verkaufen.

Der Herbst 2020 lädt uns ein, an dem guten Gartengeschäft der letzten Wochen an zu knüpfen.

Wir haben es leibhaftig erlebt, dass in diesen Zeiten der Krise der Garten intensiv als Rückzugsort und kreative Tummeloase genutzt wird. Viele, besonders junge Menschen haben in diesem Jahr die Freude am Gärtnern entdeckt, die Nutzpflanzen stehen hoch im Kurs  – möglichst regional produziert, in Bioqualitäten, angepasst an den Klimawandel, gesund für Mensch und Natur und, und, und…

Werte bringen Vertrauen in Zeiten, die von höchster Unsicherheit geprägt sind. Natur gibt mehr denn je in diesen Zeiten den Menschen, Sicherheit, Halt und Zuversicht. Zurück zur Natur ist ein KrisenTrend, der auf Tradition und Heimatliebe baut.

Damit ist die Begrünungswelle zu erklären, in denen das naturnahe Gärtnern und die Selbstversorgung an erster Stelle standen; sorry und steht. Und – es ist kein Ende in Sicht! Gärten, Balkone und Terrassen werden zum Schlaraffenland für Kräuter, Gemüse und Obst. Die gesunde Ernte aus der eigenen Grünoase steht hoch im Kurs. In Folge gibt es auch eine Rückbesinnung auf die Vorratshaltung unserer Großmutter: Dörren von Obst, Einkochen von Marmelade, Backen von Brot, Erdmieten für das Gemüse und vieles mehr ziehen wieder mietweise in unseren Alltag ein.

Auch der Herbst 2020 steht unter dem Erfolgszenit vom Selbstversorger Garten.

Wildobst verdient unsere besondere Aufmerksamkeit. Es bedient derzeitig viele Sehnsuchtsfelder der Menschen: Heimisch, vielseitig, lecker, natürlich, gesund, pflegeleicht, mit hohem Nutzen für Insekten, Vögel und Säugetiere.

Als gesunde Nahrung, Naturapotheke und Hausmittel erleben sie eine Renaissance.

Die gezähmten Sorten sind besonders interessant, da sie sich hervorragend für kleine Grünparadiese eignen.

Schauen wir mal näher hin; manche wilde Auslesen sind besonders spannend, da sie viel zu erzählen haben. Menschen lieben Märchen und schöne Geschichten. Gerade in diesen Zeiten.

 

 

Antjes wildes Obstbuffet

Vorwort: Wildobst sind heimische bzw. eingebürgerte Pflanzen, deren Früchte essbar oder verwertbar sind. Es umfasst auch die züchterisch entstandenen Kultursorten, deren Früchte den Wildarten sehr nahe stehen. Die Grenzen zum klassischen Obst wie Apfel, Birne, Stachelbeere sind fließend. Wildobst bezieht auch fremdländische Arten wie Aronia, Mahonia, Morus und Goji mit ein. Wir zählen in Mitteleuropa derzeitig etwa 3000 verschiedene Arten.

 

 

Aronia melanocarpa

Spitzname: Apfelbeere

Lieblingsort: Eigentlich überall im Garten, Töpfen, Kästen

Stärken: Genügsam, robust und gesund, frosthart bis -30 Grad

Beauty: 4 Jahreszeitenpflanze mit adrettem Wuchs, weißer Blüte, Laub coleurchenim Herbst

Bekannt für: Powerfrüchte – frisch für alle , die es herb säuerlich mögen, sonst als Saft, Marmelade, Dörrobst

Fitness Facts: Wertvoll, hält jung, da reich an Antioxidantien

Beste Freunde: Aron, Nero, Rubina, Viking

 

 

Amelanchier spec.

Spitzname: Felsenbirne oder Rosinenbaum

Lieblingsort: Mag Sonnenplätze und steht gerne frei, so dass jeder sie bewundern kann, eigentlich überall im Garten oder im Gefäß

Stärken: Genügsam, sehr frosthart auch im Gefäß auf der Dachterrasse in NY im 30. Stock

Beauty: dauerschön durch Blüte, Herbstlaub und Früchte

Bekannt für: wertvolle Früchte als Marmelade, Dörrobst, Kompott, Wein, Saft;

Fitness facts: reich an Vitaminen und Mineralstoffen; beliebt als süße Trockenfrucht

Beste Freunde: Ballerina, Bluemoon, Prince William

 

 

Cornus mas

Spitzname: Kornelkirsche, Dirndl

Lieblingsort: Ein Platz an der Sonne und ein gut luftiger, nahrhafter Boden bringen beste Ernte

Stärken: Geduld ist einer ihrer großen Tugenden; die Kornelkirsche lässt sich nicht aus der Ruhe bringen; wächst langsam und wird in 100 Jahren 2-6m hoch; unbequeme Situationen – Frost, Stadtklima – meistert sie mit ihrer zähen Natur vorbildlich

Beauty: Augenweide rund ums Jahr durch den markanten Wuchs, dottergelbe Bienenblüten im März, sonnengelbes Herbstlaub und die sensationellen Früchte

Bekannt für: Trägt nach 6-8 Jahren erste wertvolle Früchte; besser zwei Pflanzen setzen für bessere Befruchtung; Ernte, wenn druckreif; lecker für Gelee, Wein, Schnaps und Marmelade

Fitness Facts: Hoch, da reich an bioaktiven Substanzen und Gerbstoffen; hilft bei gereiztem Magen oder Darm

Beste Freunde: Sorten: Devin, Jolico – nur 10 Prozent Steinanteil, Kazanlaker

 

 

Sorbus aucuparia var.edulis

Spitzname: Süße Vogelbeere

Lieblingsort: Robuster Baum mit bescheidenen Ansprüchen an Boden und Licht –  bitte aber kein Schatten und Trockenheit, dann wird selbst die Vogelbeere störrisch; sehr frosthart, mag kein Leben im Kübel

Stärken: Bescheidenheit und Toleranz bringen ihr seit Jahrhunderten viele Verehrer; Vögel lieben Vogelbeeren; bei den Germanen galt sie als ein heiliger Baum

Beauty: Schlank und anmutige Gestalt mit prächtiger Blüte, farbschönem Herbstgewand und einer roten Früchtepracht im Herbst

Bekannt für: Korallenrote Beeren in üppiger Menge von August bis Oktober; ein Gourmetparadies für über 63 Vogelarten;  für uns Menschen sind Schnaps, Gelee oder Säfte angenehmer

Fitness Facts: Bitter, sauer und voller Vitamine; bei früher Ernte im August ist der Vitamingehalt am höchsten. Tipp: Männertrunk aus Sorbusfrüchten,                          Petersilie, Sellerie, Liebstöckel, Salbei, Rosmarin und Verbene

Beste Freunde: Rosina, Konzentra, Fastigiata sind veredelte Sorten mit wenigen Bitterstoffen

 

 

Sambucus nigra

Spitzname: Holler

Lieblingsort: Wächst am liebsten auf nährstoffreichen Böden und liebt heiter bis wolkige Standorte

Stärken:  Vor dem Holler hat man früher den Hut gezogen! Das sagt alles über den symbolischen und nützlichen Wert des Holunders aus. Er galt früher als Zauberpflanze, da er Haus und Hof vor Dämonen schützte

Beauty: Eine ganzjährige Sehenswürdigkeit durch den Schirmwuchs, die imposante Blüte im Frühsommer und die schwarzen Früchte

Bekannt für: Ein Mann für alle Fälle! Lecker Schmecker sind die Hollerküchle aus den Blüten und natürlich die vollreifen Früchte, verwertet als Schnaps, Marmelade, Saft, Sirup und vielem mehr

Fitness Facts: Lebende Hausapotheke, die alle Zipperlein heilt. Blätter und Rinde wirken gegen Gicht und Rheuma; Blüten und Beeren heilen Grippe und Erkältung; Bitte nicht roh essen!

Beste Freunde: Sampo, Haschberg, Samyl

 

 

Hippophae rhamnoides

Spitzname: Sanddorn

Lieblingsort: Sonne, Hitze, Salz, Wind, Frost – alles erträgt er klaglos und zwar heldenhaft.

Stärken: Sanddorn ist ein wichtiger Wohnort und vielseitige Nahrungsoase für Tiere. Die Menschen dürfen seine ökologischen Werte stärker                                     schätzen. Im Klimasortiment steht er weit oben.

Beauty: Er ist immer da, eher unauffällig in seinem dichten, grauen Laubkleid; im Spätsommer trumpft er auf – peng – und steht als orangefarbene Leuchtkugel in der Landschaft; Sagenhaft!

Bekannt für: Als gesunde Fruchtpflanze verdient der Sanddorn Bestnoten. In der DDR gab es großartige Züchtungen – die Späthsche Baumschule, Berlin sei hier genannt – die viel mehr Beachtung verdienen. Sanddornprodukte, wie Öle, Tee, Nektar und Kosmetik erfreuen sich höchster Beliebtheit. Klassisch braucht man immer zwei; ein Mann                             für 9 Frauen passt gut; viele Menschen stört vor allem die piksige und mühselige Ernte. Geht auch einfach: Äste abschneiden, in Gefriertruhe durchfrieren lassen und abstreifen…

Fitness Facts: Der gesundheitliche Wert seiner Früchte ist beispielhaft – kaum ein Wildobst stärkt so wirkungsvoll die Abwehrkräfte und wirkt gegen Grippe, wie Sanddorn.

Beste Freunde: Hergo, Leikora, Frugana, Pollmix – ein Mann

 

 

Rosa spec.

Spitzname: Hagebuttenrose

Lieblingsort: Sonne pur und gerne ein saftig, üppiges Erdreich.

Stärken: Als Wildrose gewinnt sie deutlich an Beliebtheit. Als Bienenpflanze, duftige Naturblume und hitzeverträgliches Sträuchlein steigt ihre Beliebtheit wieder deutlich an. Gut so!

Beauty: Duftige Frühsommerblüten, Hagebutten, Juckpulver, Dornröschen…

Bekannt für: Im Herbst punktet die Wildrose mit den Hagebutten. Sie lassen sich wunderbar– mit Geduld und Zeit – zu Tee, Mus, Kompott, Marmelade, Saft, Sirup und so weiter verarbeiten.

Fitness Facts: Reich an gesunden Inhaltsstoffen wie Vitamin C, Flavone, Vitamin B und vielem mehr. Sie stärken das Immunsystem, helfen bei Erkältungen jeder Art. Bitte auch den Kernen, alias Juckpulver, ihre Achtung zollen. Sie sind wirksam bei Gicht und Rheuma. Da steckt viel drin in der Wildrose…

Geheimrezept für einen Frauentrunk: Wildrose, Alchemilla, Achillea, Philadelphus, Hypericum Blüten, Lavendula.

Beste Freunde: Es gibt etwa 150 Wildrosen Arten – alles beste Freunde! Wie z.B. Rosa gallica – Essigrose, Rosa rugosa – Kartoffelrose, Rosa villosa – Apfelrose, Rosa canina – Hundsrose, Rosa spinosissima – Dünenrose

 

 

Morus alba

Spitzname: Weiße Maulbeere

Lieblingsort: Wächst überall, wo sie sonnig, warm und geschützt steht.

Stärken: Die Hitze und das Stadtklima verträgt der Tausendsassa großartig. Sie wurde früher vielfach angebaut, um die Seidenraupen zu füttern. Gehört zu den Lieblingen, da sehr genügsam und zäh.

Talent: Luftiger anmutiger Wuchs, ein kreatives Laub in verschiedenen Formen, und natürlich der gelbe Herbstlook; die Früchte sind ab August echte Hingucker.

Bekannt für: Als gesunde Beerenpflanze wird sie gerade erst entdeckt. Lecker, saftig, gesund und am besten frisch vom Strauch, so schmecken sie am besten.

Fitness Facts: Hoch, gute Diabetiker Frucht

Beste Freunde: Der Bruder Morus nigra ist eine rundkronige Augenweide und mindestens genauso lecker; nur liebt er mehr Wärme. Sorten: Mojo Berry, gehört zu Morus rotundifolia und bleibt kleiner.

 

 

Mespilus germanica

Spitzname: Echte Mispel

Lieblingsort: Warm, sonnenreich und etwas geschützt steht er gerne; ein lockerer, saftig nahrhafter Boden lässt ihn jubeln.

Stärken: Geduld, Toleranz und Zuverlässigkeit prägen sein Naturell

Talent: Die Mispel fällt mit ihrem üppigen Wuchs und ihrem besonderen Laubkleid immer auf. Ihre weißen Blüten und die Früchte sind etwas für Genießer.

Bekannt für: Die exotischen braunen Kugelfrüchte gelten seit dem Mittelalter als Delikatesse. Ernte nach dem ersten Frost und dann lassen sie sich als Kompott, Schnaps oder Likör genießen.

Fitness Facts: Reich an Vitaminen, Pektinen und Gerbstoffen; wirken gegen Entzündungen und stoppen Alterungsprozesse.

Beste Freunde: Nottingham, Westerveld und Macrocarpa sind großfruchtige Sorten.

 

 

 

Wilde Erlebnisoase im Verkauf

Klar, Sie fragen nun, wie Sie dieses Thema gewinnbringend umsetzen können.

Es folgt ein kleiner Notizzettel mit praktischen Tipps für eine erfolgreiche Themen-inszenierung.

 

  • Planung heißt Zeitgewinnen! …und damit geht es los. Definieren Sie mit dem Team schriftlich und konkret, was sie vorhaben. Damit holen Sie alle an Bord und es können konkrete ToDos besprochen werden, wer sich um was kümmert.
  • Thema und Titel festlegen – gerne in Form von einem storyboard auf dem die Geschichte in Worten umschrieben wird und dann in einem moodboard visualisieren. Sie können damit die Stilrichtung und den Stil der Themenpräsentation sehr klar und konkret herausarbeiten. Schauen Sie mal – ich habe Ihnen ein moodboard als Beispiel zur Inspiration beigefügt.
  • Zeitfenster abstimmen – wann geht’s los, bis wann soll das Thema laufen.
  • Ort und Flächengröße definieren – wichtig! Das Thema sollte prominent und augenfällig und erlebbar sein. Im Herbst wandern die Menschen häufig nur auf kurzen Routen und je kühler es wird, umso wichtiger ist es, dass das Herbstthema im Premiumbereich platziert ist.
  • Pflanzensortimente – Konzentration auf die Topseller einerseits; andererseits sind Neuheiten, Innovationen und Besonderheiten immer das Salz in der Suppe. 2020 ist Morus hip. Unterschiedliche Preisgruppen und Qualitäten sind ein Thema für sich; wird immer wichtiger. Vielfach dämpfen wir unsere eigenen Verkaufsergebnisse, weil wir zu wenig mutig, prächtige Solitäre anschaffen. Groß verkauft klein und bringt auch vom layout eine griffige Struktur in das Thema. Oft sehe ich in den Gartencentern und Baumschulen wenig klare Konturen bei den Themenpräsentationen, weil eben alles in 10 Liter Gefäßen und so lala, gleich groß ist.
  • Zusatzartikel – was gehört noch zu dem Thema außer Pflanzen? Das ist eine gute Frage. Im überdachten Bereich bieten sich schöne Waren wie Vogelhäuser, Nistkästen, Körbe und alles rund um das Thema Ernte, Lagern, Mosten, Kochen an. Leckere Säfte, Marmeladen, Frischobst zum Probieren sind wichtige Appetitanreger. Wer probiert und schmeckt, der kauft meistens auch.

Im Freiland bieten sich wetterfeste Verbundartikel wie Pflanzerde, Herbstdünger, Mulch und Co an. Das Thema lässt sich natürlich auch auf zwei oder drei Stationen verteilen, um eine optimale Wiederholung im Erlebnis Wild Obst zu erreichen.

  • Warenträger sind immer und oft ein Diskussionsthema. Alutische sind wenig sexy aber praktisch. Mit Europaletten, Weinkisten und Holzvliesen lässt sich gut arbeiten. Hauptsache Schlichte Fichte und keine unnötigen Eigenbedarfskosten.
  • Beschriftung ist sehr wichtig zu planen. Themenschilder, Produktschilder mit spannender Info und viel Nutzen, andere Botschaften, wie Neuheiten, regional produziert, winterharte Elite, und und und …
  • Nächstes Team Meeting zur Feinabstimmung planen und dann geht’s los.

Viel Erfolg.

Sanddorn ist in vielen Ländern, wie hier in Rumänien, eine sehr beliebte Herbstfrucht.

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