Grüner Treffpunkt statt grüner Handel

30. Mai 2022

Antje Verstl und Oda Pistorius für DEGA Grüner Markt, 5/6 2022

In den letzten Jahren sind Themen wie Geselligkeit und die Nähe zur Natur immer wichtiger geworden, die Pandemie hat diese Entwicklung noch beschleunigt. Vieles ist im Wandel – welche Auswirkung haben diese Veränderungen auf den grünen Handel? Antje Verstl und Oda Pistorius, Dendron Akademie Leipzig, werfen einen Blick in die nahe Zukunft des grünen Handels und suchen nach Antworten auf Zukunftsfragen.

Bevor wir einen Blick auf die Zukunft des Handels werfen, ist es wichtig zu verstehen, wie sich die Beziehung der Menschen zum Garten und zur Natur verändert haben. Die Natur ist in Krisenzeiten ein wertvoller Wegweiser. Sie lebt uns seit Jahrtausenden vor, dass Wachstum kein linearer Prozess ist, sondern ein stetiges sich wandeln. Die Natur lehrt uns durch ihren Stoffkreislauf, wie man sparsam und schonend mit Rohstoffen umgeht. Durch sie entdecken Menschen, was im Leben wirklich wichtig ist: Ruhe. Gemeinsinn. Kreativität. In den Gärten von heute gedeihen daher nicht nur Bohnen und Beeren, sondern auch Freundschaften und Beziehungen.
In der Pandemie haben sich viele Menschen auf die Suche nach ihrem eigenen grünen Kraftort gemacht. Kein Wunder, denn die junge Wissenschaft der „Gartentherapie“ belegt die positiven Wechselwirkungen des Gartens auf den Menschen: Er bringt uns in Balance, baut Stress ab und stärkt uns körperlich und geistig. Das Werken mit den Händen wird ein wichtiger Ausgleich zum digitalisierten Alltag. Der Garten bekommt als Oase der Geselligkeit, der Erholung und der Gesundheit eine neue lebenswichtige Wertestellung:

  • Gärten werden zu Orten der Geselligkeit und soziale Verbindungen sind ausdrücklich gewollt.
  • Die Herausforderung, mit der Natur zu Arbeiten, wird angenommen und deren erdende Kraft aktiv gesucht.
  • Stillstand und Rückzug der Pandemiezeit befeuern den Wunsch nach ursprünglichen und echten Erlebnissen: Die Menschen werden gern zu Gastgebern für die Natur.

 

Der Garten wird neu interpretiert

Der Garten, ehemals definiert als umzäuntes Land, wird neu interpretiert und vielfältiger belebt. Er entfesselt sich von seinen räumlichen Bestimmungen und wird zu einer agilen, multifunktionalen Lebensoase. An Schrebergärten zeigt sich dieser Wandel deutlich. Die homogene Alters- und Sozialstruktur und der soziale Zwang sind überholt und längst treffen sich in den Kolonien Menschen verschiedener Herkunft und mit unterschiedlicher Motivation Natur zu erleben. Sie sind in Städten rare Orte der Gemeinschaft geworden, an deren Erhaltung dauerhaft und gemeinsam gearbeitet wird. Das schafft sozialen Zusammenhalt.
Ihre Weiterentwicklung sind die Community-Gärten: Grüne Räume, die ganz der Natur gehören. Ihr Ziel ist, ein Ort des Austausches, Ausprobierens und des Lernens zu sein. Anfangs sind es Brachflächen, die zur ökologischen Selbstversorgung erschlossen werden und die Außenwirkung des Viertels aufwerten. Durch das offene Konzept bilden sich nachbarschaftliche Netzwerke, wo gesät, gepflanzt, getauscht und verarbeitet wird. Beim gemeinsamen Kochen, auf Flohmärkten, Musikevents und Lesungen wird das Netzwerk schnell erweitert. In der Folge entstehen pädagogische Angebote, welche Kindern die Vielfalt und Schutzbedürftigkeit der Natur nahebringen. Integrationsprojekte fördern das Zusammentreffen von Menschen mit Behinderung oder Migrationshintergrund. In den Gärten finden Menschen zusammen, die sich im normalen Leben nie begegnet wären.
WWOOFen ist ebenfalls ein neuer Naturtrend und kann als Weiterentwicklung des Work and Travel gesehen werden. Beim Work and Travel wird als Erntehelfer in der Natur gearbeitet – zur Finanzierung von Reisen. Beim WWOOFen wollen Menschen auf ökologischen Höfen einen naturverbundenen Lebensstil mit allenHerausforderungen kennen lernen. Sie sammeln unentgeltlich Erfahrungen zum ökologischen Anbau von Kräutern, Obst und Gemüse und leben integriert in dem Alltag der Hoffamilie. „WorldWide Opportunities on Organic Farms“ – kurz WWOOF– bietet den Menschen eine wahre Rückkehr zur Ursprünglichkeit.

 

Evolution Privatgarten

Immer mehr Menschen streben das naturnahe Gärtnern an und schätzen es, wenn die eigene grüne Oase etwas an die Natur zurückgibt. Der reine Ziergarten wird mit dem anhaltenden Trend zu Vogelhecken und Insektenweiden zum Naturgarten. Nutzgärten für den Menschen werden dank des Siegeszugs der Permakultur durch Artenvielfalt und Kreislaufwirtschaft zu nährenden Gärten für Mensch und Natur.
Waren Gärten früher Zuflucht für den privaten Rückzug, sind es heute erweiterte Wohnräume, in die wir bewusst Menschen einladen. Die große Tafel und die Outdoorküche für eine Schar an Bekannten, das Gartenbüro, die Poollandschaft und das Atelier-Gewächshaus für die engsten Freunde – im Privatgarten entstehen mannigfaltige Begegnungsorte: für Mensch und Natur und Menschen und Menschen.

 

Grüner Treffpunkt … im Handel

Wie in einem Community-Garten werden Baumschulen, Baumärkte und Gartencenter in Zukunft grüne Treffpunkte, die einem heterogenen Publikum wahre Erlebniswelten bieten: Kulinarik für jede Tageszeit, Markttage, Ausstellungen, Lesungen, Workshopflächen und sogar Co- Working-Spaces können sich hier vereinen. Sie werden zum individuellen Ausflugsziel, für das die Gartenfreunde gerne weit fahren. Hier verbringen sie eine gute Zeit, treffen Menschen und nebenbei wird eingekauft.
Schon jetzt ist die grüne Branche mit ihrem naturnahen Ambiente ein Kraftort, der als Gegenpol für die zunehmend virtuelle Welt auch in Zukunft gefragt sein wird – wenn alles zur Zufriedenheit der Gäste beiträgt! Hier ein paar Beispiele für Convenience vom Feinsten:

  • Willkommenskultur für den wichtigen ersten, persönlichen Kontakt. Gerne mit kleiner Erfrischung und Information über das, was man nicht versäumen sollte,
  • durchgängiges GPS ohne Empfangsstörungen,
  • vielfältige Hotspots mit informativen und lustigen Storys,
  •  Servicepersonal eventuell plus Roboter für Unterhaltung und Information,
  • Ruhezonen zum Arbeiten und Entspannen,
  •  Spielbereiche für Kinder und Tiere,
  • trendige Workshops und DIY Events,
  •  leckere kulinarische Stopps.

Wussten Sie, dass die meisten Geschäftsflächen zwei Drittel des Jahres unproduktiv vor sich hin schlummern? Verkaufsräume werden künftig mehr als eine Funktion erfüllen müssen. So ist Flexibilität im Ladenbau sehr wichtig, um von einer Kategorie in die andere wechseln zu können – tagsüber wird verkauft, abends finden coole Veranstaltungen statt. Mit Kunst, Musik, Literatur, Malerei, Theater, Sport, Tieren und Reise lassen sich vielfältige Bezüge schaffen, um Menschen für Naturthemen und vor allem für Pflanzen zu begeistern. Wer Pflanze kann, wird ein deutlicher Sieger der nächsten Jahre. Eingebettet in Events wird ihr Pflanzenverkauf schnell zur Lieblingsmarke.

 

Per Knopfdruck nach Hause

Kunden erwarten ein nahtloses Einkaufserlebnis – der Besuch vor Ort und die Nutzung des Omni-Channel-Angebots sollten gut verknüpft sein. Da lassen sich schöne, moderne Erlebnisse inszenieren:

  • Instagram-Hotspots: ich und meine Lieblingsmarke,
  • Roboter-Bob als Kundenassistenz mit viel Spaßfaktor,
  • Teststrecken für Rasenmäher und Testbäume für Motorgartengeräte,
  • Personal-Shopping nach Anmeldung und gegen Honorar.

Der Gast von morgen möchte nichts von der Stange. Wie beim WWOOFen dreht sich zukünftig alles ums Selbermachen. Handgefertigte Dekorationen, Selbstbau-Möbel und DIY-Workshops stehen hoch im Kurs. Dazu bieten Sie alle Materialien, Anleitungen und Designvorschläge an und laden die junge Zielgruppe ein, mit ihrer Community im grünen Treffpunkt eine gute Zeit zu verbringen.
Nur so können auch neue Generationen von Kunden gewonnen werden. Es ist die Generation Z, die selbstbestimmt und glücklich online shoppt. Der Gang ins Geschäft erfolgt bei ihr nur, wenn es der eigenen Persönlichkeit einen Gewinn bringt – der Trend zur Individualisierung ist damit unaufhaltsam.
Hinzu kommt, dass sich die jungen Konsumenten nicht mehr über Besitz und Konsum definieren. Statussymbole verlieren an Strahlkraft. Logos werden ersetzt durch Handwerk, Regionalität und Lifestyle. Es geht insgesamt viel mehr um Freiheit, Unabhängigkeit und Minimalismus. Neben dem DIY-Sektor werden der Lieferservice, der Gartenservice und das Leasing von Gartengeräten die wichtigsten Profit-Bereiche. Für den Treffpunkt Garten suchen kluge Händler zunehmend auch die Nähe zu den Kunden. Flexible, kleinere Pop- Up-Stores mit wechselnden Themen sind noch eine sehr unbespielte Erlebniswiese. Toom Leipzig ist mit seinen Pflanzenkisten“ unterwegs. Mobile Pop-Up-Gartenbusse bringen Toom dahin, wo die Menschen sind (siehe Seite 50). In diesen kurzweiligen Erlebnisstores können neue Produkte und Themenkonzepte ausprobiert werden und für viel Aufsehen sorgen. Und es lassen sich mannigfaltige Beziehungen von Mensch zu Mensch knüpfen. Ohne Frage – Menschen kaufen zunehmend bei Menschen. Sie gehen dahin, wo ihnen Erlebnis und individueller Nutzen geboten werden.

... fun und love – alles andere ergibt sich.

Community gardens als Erlebnisoase im GC Bents

Chillige Plätze haben Vorfahrt

Community Gardens verbinden, Berlin

Garden Souque am Wochende im Dubai Gardencenter

Gemeinsam Gärtnern, tauschen und teilen, Berlin

Kennst du den Baum ...

Libellenflugplan rund ums Jahr. Spannend.

Mobiler Bus für workshops, Coolings, London

Tun und zeigen